Unser Leiter für Regierungsangelegenheiten, Zoltan Kesz, führte ein Interview mit einem Kandidaten der Freien Demokratischen Partei Deutschlands für das Europaparlament. Ziel der Diskussion war es, Einblicke in ihre Ansichten zur Zukunft Europas, die von ihnen vorgeschlagenen Ansätze zur Bewältigung aktueller Herausforderungen und ihre Haltung zu wichtigen politischen Fragen zu gewinnen.
Was sind die größten Herausforderungen, vor denen die EU derzeit steht?
„Wenn es um zentrale außen- und sicherheitspolitische Herausforderungen wie die Unterstützung der Ukraine und Israels geht, spricht die Europäische Union nicht mit einer Stimme. Demokratie und Rechtsstaatlichkeit geraten in ganz Europa zunehmend unter Druck. Radikale Parteien sind in den nationalen Parlamenten weit verbreitet und teilweise auf dem Vormarsch. Die Bürger in der EU werden durch eine vorübergehend hohe Inflation belastet, und die öffentlichen Haushalte werden durch höhere Zinsen und wachsende Ausgaben belastet. Mittelstand und Industrie kämpfen – auch aus demografischen Gründen – mit unterbrochenen Lieferketten, steigenden Rohstoffpreisen und einem anhaltenden Fachkräftemangel. Die Energieversorgung in der Europäischen Union gleicht einem Flickenteppich und ist daher weder krisensicher noch effizient. Wenn es um Spitzentechnologien geht, die zur schnellen Bewältigung von Krisen und für eine souveräne und zukunftsfähige EU notwendig sind, hinkt Europa im internationalen Wettbewerb hinterher. Zu diesen nationalen und europäischen Herausforderungen kommen globale: der Kampf gegen irreguläre Migration und Schlepperbanden, der Kampf gegen die globale Erwärmung, der Systemwettbewerb mit Autokratien und Diktaturen und die Abwehr von Cyberangriffen.“
Was ist Ihre Vision von Europa im kommenden Jahrzehnt?
“Erstens: Europa muss einfacher werden. Dazu gehört für uns auch die Stärkung des Subsidiaritätsprinzips. Mit der EU sollte man nicht Überregulierung oder Verbote assoziieren, sondern einfache, schnelle und verständliche Lösungen für die Probleme unserer Zeit.
Zweitens: Europa muss stärker werden. Die Bürger müssen davon überzeugt sein, dass Europas Grenzen sicher sind, irreguläre Migration strikt verhindert wird, ausreisepflichtige Menschen schnell zurückgeführt werden, die Rechtsstaatlichkeit überall in Europa konsequent durchgesetzt wird und eine schlagkräftige europäische Armee zum Schutz von Menschen und Menschen da ist Menschen im Falle eines militärischen Notfalls europäische Interessen einsatzbereit machen.
Drittens: Europa muss eine Marktwirtschaft werden. Unsere wirtschaftliche Stärke ist der entscheidende Faktor im systemischen Wettbewerb mit anderen Regionen der Welt.“
Wie sehen Sie die Rolle der KI in naher Zukunft? Was halten Sie von einer Regulierung?
„Ich möchte die EU zu einem Hotspot für künstliche Intelligenz machen, der den Lebenschancen der Menschen dient, anstatt sie zu entmachten. Deshalb lehne ich sowohl Überwachungswünsche als auch Überregulierungsphantasien ab. Ich setze mich für eine unbürokratische und praktische Umsetzung der europäischen KI-Verordnung ein, die Innovationen ermöglicht und Bürgerrechte schützt. Ich plädiere für ein Fair-Use-Prinzip nach amerikanischem Vorbild für KI-Trainingsdaten. Ich möchte die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen KI-Wirtschaft stärken und moderne Monetarisierungsmodelle für Rechteinhaber ermöglichen. Ich möchte die Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz (KI) auch in der Bildung nutzen. KI-Anwendungen können das individuelle Lernen von Studierenden durch maßgeschneiderte Lernmaterialien unterstützen. KI bietet auch die Chance, Lehrkräfte zu entlasten. Den Studierenden soll möglichst früh der kompetente Umgang mit künstlicher Intelligenz vermittelt werden, um sie auf eine zunehmend von KI geprägte Arbeitswelt vorzubereiten.“
Wie profitiert Europa von Freihandelsabkommen?
“Die EU würde vom Wirtschaftswachstum, dem Austausch von Technologien und Innovationen zwischen den Vertragsparteien und den gestärkten diplomatischen Beziehungen profitieren. Auch Verbraucher würden von Freihandelsabkommen profitieren, da Handelsabkommen die Auswahl an Produkten und Dienstleistungen für Verbraucher erweitern und die Verbraucherpreise durch die Beseitigung oder Reduzierung von Zöllen und Handelshemmnissen senken. Wachstum im Handel kann auch Arbeitsplätze in exportorientierten Branchen wie Deutschland schaffen.“
Viele Politiker sprechen von Energiediversifizierung. Was ist die ideale Lösung für Sie?
Meinung?
„Die ideale Lösung ist die Diversifizierung selbst. Der deutsche Alleingang gegen die Interessen unserer europäischen Partner bei Nord Stream 1 und 2 war ein schwerer Fehler. Unsere Antwort ist eine gemeinsame Energieaußenpolitik, die Energiepartnerschaften mit zuverlässigen Ländern schafft. Die Kernfusion bietet das Potenzial, künftig Energie klimaneutral und sicher zu erzeugen. Ich möchte außerhalb des Atomrechts einen innovationsfreundlichen Rechtsrahmen für die Kernfusion schaffen, der die geringeren Risiken dieser Technologie berücksichtigt. Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe bieten große Chancen als zukünftige Energiespeicher. Alternative Kraftstoffe wie E-Fuels sollen sowohl als Reinkraftstoff als auch als Beimischung zugelassen werden. Verbrennungsmotoren sind nicht per se klimaschädlich, sondern erst ihr Betrieb mit fossilen Brennstoffen. Um die Flotte von weltweit über einer Milliarde Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren klimafreundlicher zu machen, setzen wir auf die Substitution fossiler Kraftstoffe durch synthetische Kraftstoffe und auf das Bekenntnis zum Verbrennungsmotor als Teil der menschlichen Mobilität. Wir wollen Verbrennungsmotoren klimafreundlich machen, nicht verbieten. Gleichzeitig möchte ich den Ausbau der Infrastruktur und der erneuerbaren Energien vorantreiben. Darüber hinaus soll das Stromnetz zwischen den Mitgliedsstaaten ausgebaut und der europäische Energiebinnenmarkt geschaffen werden.“
Welches bevorzugen Sie und warum? Innovation vs. Regulierung?
„Als Liberaler kann ich diese Frage leicht beantworten: Wir wollen, dass Europa zum globalen Zentrum für bahnbrechende Innovationen und Spitzentechnologien wird. Innovation steigert Effizienz und Flexibilität, sie fördert den Wettbewerb, sie sorgt für Kreativität und Dynamik, sie führt zu geringeren Kosten für Unternehmen und sie vermeiden unnötige Bürokratie.“